Folgen für Afrika

Spiegel 22/1978 vom 29.5.1978
Spiegel 22/1978 vom 29.5.1978

Kollateralschäden“? Afrika als Spielball der Supermächte (besonders: der UdSSR) in Zeiten des Linksterrorismus

 

Nach der Entführung einer Air France-Maschine in Athen am 27. Juni 1976 durch zwei Mitglieder der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP-SC) und die beiden deutschen Terroristen Brigitte Kuhlmann und Wilfried Böse benötigten diese eine erste Zwischenlandung, um das Flugzeug aufzutanken.

Diese Zwischenlandung  gestattete ihnen Libyen und dessen Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi. Dies war kein Zufall: So pflegte Libyen, ebenso wie das Nachbarland Algerien, eine enge wirtschaftlich-technische und militärische Zusammenarbeit mit der UdSSR und bot eine zuverlässige Basis speziell für  palästinensischen Terrorismus. Es existierten zahlreiche Ausbildungscamps auf libyschem Boden. Nachdem die Entführer das Flugzeug in Bengasi vollgetankt hatten, setzten sie ihren Flug in Richtung Entebbe fort. Libyen als letzter Zielort der Entführung war den Entführern wegen der Nähe zu Israel und der Erreichbarkeit für ein israelisches Militärkommando zu gefährlich - die Distanz von Entebbe nach Israel wurde dagegen als ausreichend eingeschätzt.

 

Afrikanische Staaten mit Verbindungen zur Sowjetunion unterstützten in den 70er Jahren auch den internationalen Links-Terrorismus.  Abbildung der Karte mit freundlicher Genehmigung des C.C. Buchner Verlags Bamberg
Afrikanische Staaten mit Verbindungen zur Sowjetunion unterstützten in den 70er Jahren auch den internationalen Links-Terrorismus. Abbildung der Karte mit freundlicher Genehmigung des C.C. Buchner Verlags Bamberg

 

Am 28. Juni 1976 erfolgte schließlich die Landung der entführten Air France-Maschine mit ihren über 250 Geiseln an Bord auf dem internationalen Flughafen in Entebbe. Der ugandische Diktator Idi Amin nahm die Entführer in Empfang und unterstützte deren Operation. Idi Amin gilt als sehr grausamer Herrscher und war aufgrund zahlreicher Massenmorde in der westlichen Welt gefürchtet, weshalb er den Anschluss an die arabischen Länder suchte. Dies begründete seine Unterstützung für die Palästinenser und deren Flugzeugentführung.   

                                

Nichtsdestotrotz hatte ihn der Westen – unter anderem auch Israel - bis zum Jahr 1975  mit Entwicklungshilfen in Millionenhöhe unterstützt, um Uganda nicht komplett in die Arme der Sowjetunion zu treiben. Das israelische Befreiungskommando profitierte von den genauen Kenntnissen des alten Flughafengeländes in Entebbe – viele Bauwerke dort waren mit israelischer Hilfe errichtet worden.

 

Israel verhandelte mit den Terroristen bzw. mit Idi Amin während der Geiselnahme nicht direkt, sondern über den Botschafter Somalias in Uganda, Hadschi Abdallah. Allerdings stand Somalia dem ugandischen Diktator deutlich näher als Israel.

 

Am 3. Juli 1976 entsandte die israelische Regierung drei Hercules-C130-Flugzeuge mit einer Spezialeinheit, bestehend aus 100 Mann, um die Passagiere des entführten Flugzeugs zu befreien. Beim Anflug auf Entebbe müssen die Israelis zwangsläufig zumindest passive Hilfestellung von Äthiopien bekommen haben. Der „Normalweg“ hätte vorbei am Horn Afrikas geführt, was zum einen 1500 zusätzliche zurückzulegende Kilometer, vor allem aber das Passieren der Landesgrenze von Somalia bedeutet hätte. Somalia, technisch und militärisch unterstützt von der UdSSR und 1976 noch eindeutig auf Seiten der Palästinenser und der PFLP-SC, verfügte über eine hervorragende Luftwaffe, welche die israelischen Flieger mit ziemlicher Sicherheit abgeschossen hätte. 

 

Ein Jahr später – bei der „Landshut“-Entführung – bekamen die Sowjetunion, Somalia und auch der Südjemen kalte Füße und zogen ihre Unterstützung für den palästinensischen und letztlich auch linken bundesdeutschen Terrorismus zurück – so wurde die Geiselbefreiung von Mogadischu möglich.    

                                                                                         

1976 muss Äthiopien Israel das Überflugrecht eingeräumt haben. Dies geschah wahrscheinlich durch den Einfluss von im Land stationierten Amerikanern, welche auf die äthiopische Regierung einwirkten. Zudem wäre die gesamte israelische Intervention nicht ohne Beihilfe Kenias möglich gewesen, welches nach seiner Unabhängigkeit 1963 mit Unterstützung der Vereinigten Staaten rechnen konnte. Die Unterstützung Kenias für das israelische Befreiungskommando hatte weitere Gründe: Zum einen hegte Idi Amin die Absicht, sich Teilgebiete Kenias einzuverleiben, und drohte Kenia des Öfteren mit Krieg. Zum anderen war der kenianische Staatspräsident Kenyatta Palästina gegenüber negativ gestimmt, da kurze Zeit zuvor Attentäter versucht hatten, in Nairobi ein El-Al-Passagierflugzeug abzuschießen.       

Kenia feierte als einziges afrikanisches Land die gelungene Befreiungsaktion von Entebbe, da hierbei die Luftwaffe Ugandas fast komplett zerstört und somit Uganda stark geschwächt worden war. Kenias Beitrag zum Erfolg:  Es hatte den israelischen Fliegern die zwingende Zwischenlandung ermöglicht, damit diese auf dem Rückflug ihre Tanks wieder vollständig füllen konnten.

 

Über diesen Umstand regte sich Idi Amin fürchterlich auf und ordnete die Ermordung vieler hunderter in Uganda lebender Kenianer an. Außerdem erhielt er von seinem guten Freund Gaddafi 20 Mirage-Jäger, um Kenia den Krieg erklären zu können. Doch im Gegenzug griff Washington ein und belieferte die Regierung in Nairobi mit 12 F5-Jägern, um das Kräftegleichgewicht in Ostafrika wiederherzustellen.

 

Zusammengefasst: Nicht nur die 20 bis 45 getöteten ugandischen Soldaten, sondern auch möglicherweise hunderte Kenianer in Uganda bezahlten mit ihrem Leben dafür, dass afrikanische Länder im Kalten Krieg und in der Nahost-Auseinandersetzung teils von Auftrag- und Geldgebern, teils von ihren eigenen terroristischen Diktatoren als Neben-Kriegsschauplatz missbraucht wurden. Die deutschen Terroristen von 1976 und 1977 haben diese Begleiterscheinungen und Folgen ihrer Aktivitäten offensichtlich überhaupt nicht bedacht und nahmen sie sorglos als „Kollateralschäden“ in Kauf.

(Quelle vor allem: Spiegel 29/1976, 12.7.1976, S. 84-87)

 

Eine Anmerkung noch: Wir können davon ausgehen, dass Böse durchaus über den Charakter Idi Amins informiert war. Er hatte im Schultheater den "Pere Ubu" von Albert Jarry mit einstudiert und davon einem späteren Freund, der ebenso politisch interessiert und informiert war wie Böse selbst, immer wieder erzählt: Pere Ubu ist in diesem anarchischen Theaterstück ein völlig skrupelloser, verrückter Diktator, der zu buchstäblich jedem Verbrechen und jedem Verrat bereit ist. Als Böses Freund 1976 die ersten Nachrichten von der Flugzeugentführung nach Entebbe hörte und noch gar nicht wusste, dass Böse beteiligt war, kam ihm spontan die Eingebung, dass Böse jetzt bei Pere Ubu angekommen sei. Eine unglaublich treffende Assoziation.