Stimmen und Schicksale der Entführungsopfer

Empfang der Geiseln und ihrer Befreier in Israel  picture-alliance / dpa
Empfang der Geiseln und ihrer Befreier in Israel picture-alliance / dpa

Während einer Sitzung der israelischen Regierung erhielt sie am 27. Juni 1976 die folgende Meldung: "Flug Nr. 139 mit vielen Israelis an Bord ist entweder abgestürzt oder entführt worden. Die Maschine ist ein Airbus der Air France, der heute morgen kurz vor 9 Uhr vom Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv startete." (Stevenson, S. 18)

Auf der Rückseite seines Flugscheins notierte der 26-jährige Medizinstudent Moshe Peretz:

"Erschreckte und hysterische Stewardessen kommen (...) Zitternd versuchen sie, die Passagiere, die unruhig werden, zu beschwichtigen. Nach einer Minute hören wir die aufgeregte Stimme einer Frau durch den Lautsprecher. Sie spricht Englisch mit fremdem Akzent und teilt uns mit, die Maschine stehe unter der Kontrolle der "Che Guevara-Gruppe" und der "Gaza-Einheit" der PFLP. Das mit der Che Guevara-Gruppe macht mir Angst, weil ich glaube, die würden nicht zögern , die Maschine in die Luft zu jagen. (...) Einer nach dem anderen wird aufgerufen, eine gründliche körperliche Untersuchung folgt (...) Wer eine Waffe besitzt, soll sie sofort abgeben. Einige geben Messer und Gabeln ab." (Stevenson, S. 16)

„Die Terroristen sammeln die Pässe ein und stecken sie in einen Nylonbeutel. Ich händige ihnen meinen Pass, meinen Militärausweis, meinen Führerschein aus - sämtliche Papiere, die ich bei mir habe. Wer nicht alle Papiere abgibt, muss mit strenger Bestrafung rechnen. (.. .) Ich habe inzwischen einen blonden Terroristen und auch die Deutsche gesehen. Sie gehört zu den Leuten, die alles schnell erledigen. Wer zur Toilette will, hebt einen Finger und sie befiehlt zu gehen. Als einmal zwei Passagiere gleichzeitig aufstehen, schreit sie tierisch los." (Stevenson, S. 17)

Eine Frau, die sich wegen ihrer Schwangerschaft  schlecht fühlte, durfte bei einem Zwischenstopp das Flugzeug verlassen. Sie berichtete, dass fünf Minuten nach dem Start in

Athen die Maschine von zwei Deutschen, einem Mann und einer Frau, und von drei [eigentlich: zwei] Männern, die offenbar Araber waren, übernommen wurde. Nach ihren Aussagen meldete Scotland Yard nach Israel: "Alle scheinen bewaffnet. Sprengstoff - als Dattelkonserven getarnt - wurde an den Ausgängen befestigt. In Bengasi wurde nur kurz angehalten. Offenbar ist Zentralafrika das Endziel." (Stevenson, S. 22)

 

Weitere Berichte von Moshe Pertez, der seine "Tagebuchnotizen" auf Papierbeuteln, Servietten und weiterem zufällig gefundenen Material festhielt:

"Sabbat, 3. Juli, 5.30 Uhr. Alle haben Durchfall und Erbrechen. Offenbar von verdorbenem Fleisch, denn die Orthodoxen, die das Fleisch nicht gegessen haben, sind nicht angesteckt. Die sanitären Umstände sind fürchterlich, die Toiletten verdreckt, kein Wasser in der Leitung."

Ida Amin besuchte die Gefangenen mehrmals. Bei seinem letzten Besuch, so schrieb Peretz in seinem Tagebuch, sagte er zu den israelischen Geiseln: "Ihre Regierung spielt mit Ihrem Leben." (Stevenson, S. 117)

Zu Beginn der Befreiungsaktion herrschte große Verwirrung und Panik auch bei den Geiseln. "Einige von uns sprangen plötzlich auf und sagten, sie hörten draußen Schüsse. Ich hörte, dass Maschinengewehre entsichert wurden. Alle warfen sich zu Boden. Einige flohen auf die Toiletten. Menschen liegen in Haufen übereinander. Mütter werfen sich schützend über ihre Kinder. Man hört Schüsse. Ich bin auf der Toilette. Ich glaube, jetzt wollen sie uns alle erschießen, einen nach dem anderen. Schreckensschreie ..." (Stevenson, S. 123f.)


Michel Bacos

 

Er war der Pilot des gekidnappten Flugzeuges und ihm wurde von den Entführern nach der Selektion der jüdisch-israelischen Geiseln die Erlaubnis erteilt, mit seiner Crew zurückzufliegen. Er überzeugte seine Crew jedoch davon, aus Solidarität bei den übrigen Geiseln zu bleiben, und unterstützte diese in den Tagen der Entführung. Er erhielt mit seiner Crew  für sein humanitäres Verhalten von Israel einen hohen Orden.

Nach der Entführung wurde Kapitän Michel Bacos von der Air France für die Entscheidung bestraft, bei den zurückbehaltenen Geiseln geblieben zu sein: Er wurde für mehrere Monate vom Dienst suspendiert. (Greif, S. 13)

 

Jean Jaques Maimoni und Pasco Cohen

 

Der 19-jährige jüdische Franzose wurde bei der Operation Entebbe von den israelischen Soldaten als Terrorist eingeschätzt - auch deswegen, weil er sich nicht schnell genug auf den Boden geworfen hatte - und somit in dem Feuergefecht mit den Entführern versehentlich von einem israelischen Soldaten erschossen.

Als ihm sein väterlicher Freund Pasco Cohen - Manager eines israelischen Gesundheitsunternehmens - zur Hilfe eilen wollte, wurde dieser selbst im Kreuzfeuer lebensgefährlich verwundet und verstarb auf dem Rückflug.

 

Ida Borowich und ihr Sohn Boris Shlein

 

Ida Borowich wurde bei dem Schusswechsel zwischen Terroristen und israelichen Elite-Soldaten von einem Querschläger tödlich verwundet. Einige Sekunden später wurde ihr Sohn Boris Shlein von einem Terroristen, vermutlich dem Araber Jaber, schwer verwundet.

 

Dora Bloch

 

Die 75-jährige Geisel befand sich zum Zeitpunkt der Befreiungsaktion in einem Krankenhaus in Kampala, da sie sich verschluckt hatte und zu ersticken drohte. Sie wurde nach der Operation Entebbe im Auftrag Idi Amins von ugandischen Soldaten ermordet - so die wahrscheinlichste Version von ihrer Ermordung. Allerdings habe Idi Amin sich sogar damit gebrüstet, Dora Bloch eigenhändig ermordet zu haben. (Klein 80f.) Nach einer anderen Version wurde Dora Bloch nicht allein ermordet, sondern mit einigen der Ärzte und Krankenschwestern, die sich um sie gekümmert hatten und die sie vor den Mördern beschützen wollten. (Greif 12)

 

Jonathan Netanjahu

 

Der ältere Bruder des heutigen israelischen Ministerpräsidenten (Benjamin Netanjahu) war einer der BefehIshaber der Befreiungsaktion und für die eigentliche Geiselbefreiung aus dem Flughafengebäude der Hauptverantwortliche. Er verlor als einziger israelischer Soldat sein Leben - er wurde von einem ugandischen Scharfschützen, der sich im Tower befand, getötet. Ihm zu Ehren wurde in Israel die Operation Entebbe in "Operation Yonatan" umbenannt.

 

Weitere Aussagen von überlebenden Geiseln

 

Lisette Hadad berichtete über die Situation des Schusswechsels: "Plötzlich fielen Mörtelstücke von der Decke, sie trafen mich. Einen Augenblick später fiel Ida Borochowitch auf mich. Dadurch wurde ich gerettet." (Stevenson, S. 124)

Der Ehemann von Sara Davidson, einer unerschrockenen jungen Frau und Mutter einer israelischen Familie, hatte sich während der Entführung sachlich, beinahe freundschaftlich und respektvoll mit Wilfried Böse unterhalten und für diesen Ansätze von Sympathie entwickelt - und äußerte sich nach der Entführung dazu: "Jahrelang konnte ich die Massenvernichtung der Juden nicht begreifen. (...) Warum gingen die Juden so willig in die Gaskammern? (.. .) Ich brauchte diesen Alptraum von Entebbe, um es zu fassen. Und jetzt, aber erst jetzt, begreife ich. Es ist so leicht, Menschen zu betrügen, wenn sie am Leben bleiben wollen. Die Juden in den Massenvernichtungslagern wussten nicht, was ihnen bevorstand. Sie glaubten die Lügen von Arbeitslagern und Baderäumen. Wir waren genauso leicht zu täuschen." (Stevenson, S. 153f.)