Reaktionen der deutschen Politik

Krisenstab

 

Wie ein Jahr später im „Deutschen Herbst" wurde 1976 ein Entebbe-Krisenstab gebildet, der über Vertreter der Regierung hinausging und die Opposition im Bundestag in die Entscheidungen miteinbezog: Mitglieder waren unter anderen Helmut Kohl (CDU) und

Willi Brandt (SPD) als Parteivorsitzende, dazu die Minister Arendt, Vogel, Mischnik, Genscher und natürlich Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD). (Spiegel/45/76, 1.11.76,S. 194-210)

Der „Spiegel" berichtet: Die Bundesrepublik Deutschland schloss Verhandlungen mit Terroristen aus und hoffte, sich im Hintergrund halten zu können. Es fanden auch keine

direkten Verhandlungen zwischen der bundesdeutschen Regierung und Israel statt, obwohl von beiden Ländern inhaftierte Terroristen freigepresst werden sollten. Die Regierung Schmidt setzte wegen der bald anstehenden Bundestagswahlen zunehmend auf einen Härtekurs. Sie hoffte darauf, dass die beteiligten deutschen Terroristen nur Randfiguren seien. Während der Entführung wusste man zwar, dass zwei deutsche Terroristen beteiligt waren, kannte aber von beiden nicht die Identität.

Bonn verhandelte mit Idi Amin über eine Standleitung zum BRD-Botschafter in Uganda, Richard Ellermann. Die bundesdeutsche Regierung befürchtete, dass sie die israelische Politik auch dann mittragen müsste, wenn Israel den Entführern entgegenkäme: Ansonsten würde die Bundesrepublik Mitverantwortung für Tod von Juden tragen. (Vgl. Spiegel 28/76, 5.7.76, S. 21 ff. [Diese Ausgabe des „Spiegel" erschien zwar nach der Geiselbefreiung; doch war die Befreiung vor Drucklegung noch nicht bekannt; Anm. d. Verf.])

In Stuttgart-Stammheim, dem RAF-Gefängnis, wurde sofort nach der Bekanntgabe der Entebbe-Entführung eine Kommunikationssperre verhängt. (Vgl. ebd., S.23f.)

Zudem wurden die Gespräche zwischen den RAF-Terroristen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und ihren Anwälten abgehört, weil man sich Aufschlüsse über die Ziele der

Entführer erhoffte. (Vgl. Spiegel 42/07, 25.10.07, S. 20)

Gleichzeitig wurde aber ein Lear-Jet bereitgestellt, um die in Deutschland inhaftierten Terroristen, die freigepresst werden sollten, so schnell wie möglich ausfliegen zu können, falls dies das Ergebnis der Verhandlungen mit den Entführern sein sollte. (Vgl. Spiegel 28/1976, 5.7.76, S. 24f.)

Innenminister Werner Maihofer warnte davor, nicht auf die Entführer und deren Forderungen einzugehen: „Härte bedeutet hier die Tolerierung eines Massakers. " (Ebd., S. 22)

Nach der gelungenen Geiselbefreiung äußerte sich ein Kabinettsmitglied zur israelischen Befreiungsaktion: „Wir haben nichts gewusst, aber wir haben es erhofft — wer eine solche Aktion plant, muss schließlich Nerven haben und schweigen können. Sonst geht 's schief."

(Stern 29/1976, S. 18) Ein weiteres Krisenstabsmitglied meinte: „Da haben die Israelis wieder mal für uns Europäer die Kastanien aus dem Feuer geholt." (Ebd.)

Der deutsche Generalstabsoffizier Winfried Vogel kommentierte: "Israel hat mit dem Coup von Entebbe gezeigt, dass es nicht nur Panzerschlachten gewinnen kann. Es ist auch fähig, exakter als andere einen kühnen Handstreich erfolgreich durchzuführen." (Ebd.) Vogel arbeitete militärische Parallelen zwischen dem Befreiungsunternehmen in Entebbe und der Befreiung Mussolinis durch deutsche Fallschirmjäger 1943 heraus — unter militärischen Gesichtspunkten zwar nachvollziehbar, in Bezug auf die extrem gegensätzlichen politischen und moralischen Umstände allerdings sehr gewagt.